Das Erbe by Sandberg Ellen

Das Erbe by Sandberg Ellen

Autor:Sandberg, Ellen [Sandberg, Ellen]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Penguin Verlag
veröffentlicht: 2019-10-27T16:00:00+00:00


Mona

Weihnachten 201 8

Mirjams Brief zitterte in Monas Hand, während Übelkeit in ihr aufstieg und sie sich beinahe übergeben musste.

London, 3. Mai 1944

Meine liebe Klara,

du wirst es nicht glauben, es gibt großartige Neuigkeiten! Ich werde heiraten. Pünktlich an meinem 21. Geburtstag, wenn ich volljährig werde. Stell dir mal vor: Ich bin eine Braut und bald eine Ehefrau.

Ist das nun Zufall oder Schicksal? Im Nachhinein erscheint es mir wie vorherbestimmt. Es musste genau so geschehen. Meine Flucht vor Paul Harris nach London. Das Zusammentreffen mit Thomas und Fiona Scott, die beinahe Elternstelle an mir vertreten.

Entschuldige, jetzt muss ich gerade weinen. Es ist so unendlich traurig, dass meine Eltern das nicht erleben können …

Ich habe gerade großen Unsinn geschrieben. Nicht Schicksal, denn das hieße, dass die Ermordung meiner Eltern unabwendbar gewesen wäre, von einer höheren Macht vorherbestimmt. Doch die Nazis sind Abschaum. Dreck. Gesindel. Das Gegenteil einer übergeordneten Macht. Ich hasse sie so unsäglich!

Trotzdem bleibt es eine unbestreitbare Tatsache, dass ich Rafal nie kennengelernt hätte, wenn sich Thomas und Fiona nicht um mich gekümmert hätten, als es mir so schlecht ging. Wie er dann bei ihnen erschien, der entfernte Verwandte zum Five o’Clock Tea …

Du Arme hast jetzt bestimmt schon ein halbes Dutzend Briefe von mir bekommen, in denen ich dir von Rafal Jablonski vorschwärme, meinem schneidigen Offizier im polnischen Geschwader der Royal Air Force. Ich höre schon auf. Du wirst ihn kennenlernen, sobald der Krieg beendet ist. Wozu Rafal seinen Teil beitragen wird! Ich bin so stolz auf ihn. Er sieht in seiner Fliegeruniform so gut aus, und er ist so mutig. Du fragst dich jetzt bestimmt, ob ich mir keine Sorgen mache, er könnte fallen. Nein. Er ist unbesiegbar, und außerdem ist das Leben mir ein wenig Glück schuldig. Ich kann es kaum erwarten, Rafal das Jawort zu geben.

Wobei die Hochzeit nicht so sein wird, wie ich sie mir als Backfisch immer ausgemalt habe. Kein weißes Kleid. Kein Schleier. Kein rauschendes Fest. Alles sehr schlicht und nur standesamtlich. Rafal hat nur zwei Tage Urlaub bekommen. Er muss gleich nach unserem Flitterwochenende zurück zu seiner Einheit. Etwas Großes steht bevor. Ich vermute, die Invasion von der hier alle sprechen. Die Alliierten werden Hitler besiegen, und dann komme ich nach Hause. Wobei ich mich gerade frage, wo mein Zuhause dann sein wird. Vermutlich dort, wo mein Mann ist. Also doch London oder vielleicht Warschau? Mein Mann! Wie schön das klingt. Endlich weiß ich wieder, wohin ich gehöre.

Wie gerne hätte ich dich als meine Trauzeugin, Klara, liebe Freundin. Fiona wird diesen Part übernehmen. Wie schön wäre es, wenn Papi und Mamusch dabei wären. Ich könnte schon wieder weinen, wenn ich daran denke, dass sie nicht mehr da sind, was sie alles nie erleben werden. Dass sie ihre Enkelkinder nie kennenlernen werden und umgekehrt.

Wenn der Krieg vorbei ist, holen wir das Fest jedenfalls nach. Dann feiern wir und tanzen uns die Füße wund. Versprochen!

Wie geht es dir und deinen Eltern? Dein letzter Brief, in dem du von den Luftangriffen schreibst und wie ihr in den Bunker gelaufen seid, hat mir Angst gemacht.



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